Nach einer kurzen Nacht wurde Anna von einem Stylisten, der Schneiderin und den ihr zugewiesenen Brautjungfern, sechs an der Zahl, für den schönsten Tag in ihrem Leben aufgehübscht. Es wurde gezupft, getuscht, toupiert und mit dem Haarspray hantiert bis jedes Haar an der richtigen Stelle saß und sie sich im Spiegel kaum wieder erkannte. Das Kleid, ein Traum aus reiner Seide und sündhaft teurer Spitze, schmiegte sich an ihren Körper und fiel in leichten Wellen zum Boden hinab. Verzückt streichelte Anna mit ihrer perfekt manikürten Hand, Frenchnails inklusive, über den zarten Stoff. Wenigstens bei dem Hochzeitskleid hatte sie sich durchsetzen können und es so schlicht wie möglich gehalten. Einzig die Korsage wurde von einem feinen Netz aus Spitze verziert! Ihre Augen leuchteten geheimnisvoll aus ihrem Gesicht, Ein Hauch von Puder, Make up und zartrosa Lippenstift ließen die kurze Nacht vergessen, selbst die Ringe unter den Augen waren verschwunden. Sie sah aus wie ein taufrischer Morgen. Locker fielen gelockte Haarsträhnen um ihr Gesicht und kitzelten an ihrem Hals, wo ein Erbstück der Freischilds, eine Kette mit einem nicht gerade dezenten Diamanten, ruhte.
„Wow, das bin ich?“ Anna drehte sich staunend vor dem Spiegel hin und her, hob leicht den Rock des Kleides und fand sich das erste Mal im Leben richtig gutaussehend. Das unscheinbare, was sie sonst immer wie eine zweite Hülle umgab, war unter Schminke und Haarspray begraben. Sie versprühte den Hauch von Glamour den sie sich immer gewünscht hatte.
„Natürlich bist du das“ kicherte Melanie, die ihren Kater, den sie nach dem Junggesellinnenabschied vom Vorabend haben musste, meisterhaft verbarg und unterbrach ihre Gedanken! „Los kommt, wir sind schon viel zu spät dran!“ scheuchte Jennifer sie zur Tür hinaus. Das Klacken der High Heels hallte durch das Treppenhaus, begleitet von perlendem Gelächter, als Anna Melanie zurückhielt. „Melanie, würdest du mit meinem Auto zur Kirche fahren? Ich glaube sonst platzt die Limousine aus allen Nähten“ murmelte sie ihr zu. Überrascht nickte sie, stellte ganz untypisch keine Fragen, ob der Restalkohol ihre Neugier hemmte konnte Anna nur vermuten. Sie drückte Mel den Ersatzschlüssel ihres Autos in die Hand. Den Hauptschlüssel ließ sie vorsichtig und unbemerkt in die Cremefarbene Clutch gleiten.
Die schwarze Limousine blockierte die komplette Fahrbahn und hinter dem Auto hatte sich schon eine beachtliche Autoschlange gebildet, kaum stand sie auf der Straße wurde fleißig gehupt, das Hupen sollte dem Ehepaar wohl Glück in der Ehe bringen. Verstanden hatte sie den Brauch nie. Trotzdem glitt Anna seltsam gerührt auf den ihr zugedachten Platz. Indes floss m Innern der Limousine schon fleißig der Champagner.
Eine langstielige rote Rose in einer eleganten Vase lief Gefahr im Überschwang der gar nicht züchtigen Brautjungfern umzustürzen, so dass Anna die Rose aus der Vase nahm und in ihren Schoß legte, den Umschlag der beiliegenden Karte bemerkte sie zum Glück vor ihren Mitfahrerinnen, öffnete den Umschlag und las die kurze Nachricht die von Carl in seiner kühnen Handschrift geschrieben war. Jennifer entriss ihr die Karte, als sie das Kärtchen sachte neben die in ihrem Schoß ruhende Rose legte. „Ich warte auf dich am Altar, Mrs. Freischild“ Ein einhelliges Seufzen erklang und alle versicherten wie romantisch das doch alles sei.
Noch während alle ihre Brautjungfern darüber wetteiferten, wer die besseren Argumente für Carl als Ehemann ins Feld führen konnte, wurde Anna ihrer Angst beinahe erdrückt und bekam kaum noch Luft. Alles in ihr schrie danach die Tür des Wagens aufzustoßen und Reißaus zu nehmen, hatte sie doch das Gefühl einen riesen Fehler zu begehen. Doch sie blieb brav sitzen und bekämpfte die aufsteigende Panik mit leisen und tiefen Atemzügen. Ihre Knie wurden weich, als die Limousine vor dem Portal der hübschen Kapelle, die etwas außerhalb der Stadt lag, zum stehen kam. Kichernd, einige deutlich auf ihren hochhackigen Schuhen schwankend, stiegen die Brautjungfern in ihren rosa farbenen Kleidern aus der Limousine und versuchten ihr beim Aussteigen zu helfen.
Anna konnte sich kaum auf den Beinen halten vor Angst und stieg wackelig und auf Jennifer gestützt die Treppe zum Portal der Kapelle hinauf. „Zuviel Champagner“ hickste Jennifer wenig hilfreich in Richtung von Carls Vater, der sie missbilligend mit seinen kalten grünen Augen ob ihrer kleinen Schwäche musterte. „Dann wollen wir mal!“ murmelte Carls Vater ihr kühl zu und stieß das Portal zum Innern der Kapelle auf. Wie in der Generalprobe besprochen würde er es sein, der sie dem Mittelgang entlang zu Carl führen würde. So hatte man das Problem der fernbleibenden Familie von Anna gelöst, Mick hatte gar nicht erst zur Debatte gestanden. Ein Zaghafter Hinweis in diese Richtung wurde schnell von allen Seiten im Keim erstickt! Mick war „Der unerwünschte Nummer 1“ auf dieser Hochzeit. Schnell verdrängte Anna den Gedanken an ihren besten Freund und legte ihre Hand auf den erstaunlich muskulösen Unterarm ihres Schwiegervaters in Spe und ließ sich von ihm in den Halbschatten der Kapelle führen. Der Hochzeitsmarsch wurde auf der Orgel intoniert, die Hochzeitsgesellschaft stand auf, drehten sich in ihre Richtung und das Rascheln der Festtagsroben erfüllte das alte Gemäuer. Langsam und feierlich schritten Carls Vater und Anna gemessenen Schrittes durch den Mittelgang auf den Altar zu und Anna versuchte verzweifelt Freude, Liebe, Nervosität und Aufregung zu empfinden, stattdessen fühlte sie…. NICHTS! Sie bemerkte, dass sie einen riesen Fehler begehen würde, wenn sie diesen blonden, im schwarzen Smoking atemberaubenden aussehenden, Mann heiraten würde. Dass Schlimmste jedoch war die Tatsache das Mick ihr dieses Szenario schon vor Wochen in leuchtenden Farben ausgemalt hatte. Jetzt hatte sie den Salat! Der Vater von Carl übergab sie an ihren Bräutigam und der Pfarrer räusperte sich. Anna musste dieses ganze Schauspiel beenden, sofort!
Hallo Alexa, ja die politischen Zeiten sind im Momente nicht gerade leicht. Auch ich bin noch unsicher, welcher Partei ich…