Ich habe schon lange nichts von mir hören lassen, aber ich war sooooooooo beschäftigt. Alles hier ist so anders, als ich es bisher kannte. Meine Menschen sind sehr lieb zu mir und schlagen mich niemals. Selbst wenn ich ein Loch im Garten grabe. Ich weiß, ich darf das nicht. Ich höre immer mein Fraule “BELLO! NEIN!” rufen. Zuerst habe ich sie ignoriert, aber jetzt gucke ich einfach immer ganz frech hoch und Grinse dabei wie ein Wolf.
Ich bin seitdem unter strenger Beobachtung, wenn ich im Garten bin. Aber das Loch, auch wenn es erst zugeschüttet wurde, habe trotzdem noch einmal aufgebuddelt. Ich glaube meine Menschen haben es aufgegeben, denn zugemacht haben sie es nicht mehr!
Auch sonst habe ich ganz viel gelernt. Ich komme jetzt, wenn man mich “Bello” ruft. Naja meistens jedenfalls.
Ich habe keine Angst mehr, wenn ich angefasst werde. Das war am Anfang, hier in diesem Deutschland, sehr schlimm. Ich dachte ganz lange, ich werde getreten oder geschlagen. Statt dessen werde ich oft sanft gestreichelt, vor allem an und hinter den Ohren. Mein Fraule ist von meinen Ohren begeistert. Manchmal nervt sie mich, wenn sie meine Ohren “popellern” lässt wie sie es nennt. Ich bin mit meinen Ohren sehr eigen und ich mag es deshalb überhaupt nicht, wenn sie sauber gemacht werden. Aber wenn das hinter mir liegt, fühlt es sich immer so gut an.
Überhaupt wird sich viel um mich gekümmert. Ich werde regelmäßig gebürstet und zu meinem Leidwesen auch gebadet. Den Föhn mag ich gar nicht, aber seit ich meinen eigenen Bademantel habe, dauert das auch nicht mehr so lange. Selbst meine Zähne werden mir geputzt. Das ist vielleicht seltsam, das kann ich euch sagen.
Ich habe herausgefunden, wie toll sich das anfühlt, diese eine Stelle hinter den Ohren, wenn meine Menschen mich dort streicheln. Dann brumme ich immer ganz tief und seufze vor Wohlbehagen. Ich habe nie gewusst, wie schön es ist von Händen gestreichelt und sanft angefasst zu werden. Da passen meine Menschen sehr auf mich auf. Ich werde niemals hart angepackt. Deshalb drehe ich mich jetzt auch oft auf den Rücken und strecke alle vier Pfoten in die Luft, dass meine Menschen mich am Bauch kraulen. Ich liebe das sehr und muss dann immer breit grinsen. Davon bekomme ich einfach nicht genug und ich zeige auch ganz deutlich, dass ich weiter gestreichelt werden möchte, wenn meine Menschen damit aufhören.
Manchmal erschrecke ich trotzdem noch. Wenn ein Menschenkopf sich auf meine Schulter legt, zum Beispiel. Oder wenn meine Menschen sich ruckartig und schnell bewegen, da habe ich noch immer viel zu sehr Angst, dass mir wehgetan wird.
Ganz schlimm war für mich die Zeit, als mein Fraule 5 lange Wochen weg war. Sie ist mitten in der Nacht einfach weggefahren und kam dann ganz lange nicht zurück.
Ich war so traurig. Ja, Amy war da und das Menschenkind, auch der Menschenmann, vor dem ich so Angst hatte. Warum kann ich gar nicht sagen. Er war immer lieb zu mir und mittlerweile verstehe ich das selbst nicht mehr, wie ich auf die Idee kam, dass er mir weh tun könnte.
Die 5 Wochen ohne mein Fraule haben mir gezeigt, das er mich genauso mag und ich ihm ebenso vertrauen kann. Er hat mir sogar Käse und Schinken ins Futter gemacht, weil ich in den ersten Wochen ohne Fraule nichts essen wollte.
Was habe ich mich gefreut, als sie wieder kam. “Du Popellerwedel” lachte sie und setzte sich zu Amy und mir auf den Boden. Ich hatte Tagelang Angst, sie könnte wieder so lange wegfahren, wann immer Fraule das Haus verließ. Aber sie kam immer wieder, nahm die Leine, legte mir das Halsband um und machte mit uns Spaziergänge. Manchmal bekam ich gegen die nasse Kälte einen Pullover extra für Hunde an.
So schön es hier bei meinen Menschen in Deutschland finde, gibt es eines was ich gar nicht mag: Den Regen. Wenn es regnet, setze ich keine Pfote vor die Tür und das Beste daran: Keiner zwingt mich dazu. Es ist wie mir mein Fraule damals in Italien versprochen hat: Ich muss nie wieder draußen sein, wenn ich das nicht will.
Wenn wir spazieren gegangen sind, dachte ich ganz lange, ich muss meine Hundefreundin und meine Menschenfreunde beschützen und habe immer ganz doll die anderen Hunde gewarnt, dass sie nicht zu nahe kommen sollen. Amy und meine Menschen haben mich lange nicht verstanden und haben überhaupt nicht das gemacht, was ich verlangt habe.
Also habe ich meinem Fraule auf Hundisch gezeigt, sie soll hinter mich gehen, ich beschütze sie. Das ich ihr in die Wade gezwickt habe fand sie überhaupt nicht lustig und einen Moment lang dachte ich wirklich, dass ich nun ganz viel geschlagen werde. Das Gegenteil war der Fall. Mein Fraule zeigte mir auf ihre Menschenart, dass sie gar nicht beschützt werden muss und war sehr bestimmend dabei.
Ich bin vor Schreck fast auf mein Hinterteil geplumpst, weil mein Lieblingsmensch plötzlich darüber bestimmte wie lange die Leine ist, wo ich schnuppeln darf und wie schnell oder langsam wir laufen. Eine ganz neue Erfahrung. Ich darf nur noch dann auf meinem Lieblingsplatz (Auf der Couchlehne, die ist so bequem und breit! Ich kann aus dem Fenster schauen und habe alles im Blick.) wenn keiner von den Menschen auf der Couch ist. Das ist vielleicht anstrengend. Manchmal probiere ich es trotzdem und verhalte mich ganz still und leise, doch mein Fraule ist da sehr streng und schickt mich immer runter.
Sie ist der Boss und ich habe das jetzt auch verstanden. Sie gibt mir Sicherheit und stellt sich vor mich, nimmt mich auf die andere Seite wenn mir etwas Angst macht oder ich nicht kenne.
Es ist so schön einfach nur spazieren zu gehen, ohne ständig aufpassen zu müssen, ob irgendwo eine Gefahr für mein Rudel besteht. Denn meine Familie und Amy sind mein Rudel geworden. Ich laufe immer ganz nah neben meinem Lieblingsmensch und ziehe überhaupt nicht mehr an der Leine. Selbst wenn eine Katze vorbeiläuft. Darauf ist mein Fraule ganz stolz und lobt mich immer ganz viel.
Jeden Tag sagt sie mir das ich “BELLO” bin. “UNSER BELLO” sagt sie immer und knuddelt mich dann ganz fest. Ich habe ganz viele Namen “Herr Bello”, “Langnase”, und mein liebstes: “Bärchen”. Mein Mensch sagt das immer ganz liebevoll und umarmt und streichelt mich dann immer.
Egal ob frühes Aufstehen oder spätes Aufstehen (was mir lieber ist), wir haben jetzt einen festen Ablauf. Erst wird Amy gestreichelt und gekuschelt, dann dreht sich mein Fraule zu mir und streichelt mich. Wenn sie aufgestanden ist und ins Bad geht, um sich sauber zu machen, schlafe ich nochmal eine Runde. Wenn aber die Tür vom Badezimmer aufgeht, dann drehe ich mich auf den Rücken und werde IMMER gestreichelt. Minutenlang. Ich fühle mich dann immer sehr wohl und meine Menschen sagen dann, ich würde immer Grinsen.
Vor einigen Tagen habe ich mich sogar getraut und bin zu dem Menschenmann und habe mich an ihn gekuschelt und stellt euch vor: Er hat mich in den Arm genommen und gestreichelt und nicht einmal hat er mir wehgetan.
Vor zwei Tagen ist aber etwas passiert: Ich schlafe am liebsten am Fußende vom Bett meines Fraules und da liegt immer ein Stück Tagesdecke, in das ich mich Abends immer reinkuschel. Das war weg. Stellt euch das mal vor! Also bin ich bei den Mann und habe mich da auf die Decke gelegt und die ganze Nacht dort geschlafen. Jetzt achtet mein Fraule immer darauf, dass ich meine Decke zum kuscheln habe. Auch “mein” Kissen habe ich und lege oft meinen Kopf und meine Pfote darauf. Alles ist so weich und bequem.
Jetzt wo es warm ist, renne ich oft einfach mit wehenden Ohren durch den Garten und spiele dabei mit Amy. Es ist so schön hier und ich habe so langsam das Gefühl, dass mir nie wieder jemand etwas böses tut. Ich liebe mein neues zu Hause!
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Nach knapp 2 Jahren ist unser Bello endlich und tatsächlich bei uns angekommen. Es hat sehr lange gedauert, bis seine Hundeseele genesen ist und die schlechten Ereignisse in den Hintergrund gerückt sind. Flashbacks waren die ersten 12 Monate sehr häufig an der Tagesordnung und in diesen Augenblicken war Bello nicht zugänglich für irgendwas. Diese Zeit war sehr schwer, für uns alle. Ich selbst war in dieser Zeit gesundheitlich angeschlagen, was es nicht einfacher machte. Der Durchbruch war tatsächlich mein Aufenthalt in der Reha, als Bello lernte, dass mein Mann und unser Kind für ihn genauso da sein können wie ich es bin. Ich hatte große Bedenken, als ich in die Reha fuhr und teilweise bewahrheitete sich diese auch. Bello brauchte lange, bis er akzeptierte, dass ich nicht da bin und mein Mann sich hauptsächlich um ihn kümmerte. Auch das war wichtig für uns, denn es wurde uns dadurch klar, das Bello niemals in eine Hundepension gehen kann und wir unseren Urlaub mit ihm planen müssen.
Sein Beschützerinstinkt und der Drang der Chef zu sein, wuchs als ich aus der Reha kam. Generell merkte ich das gar nicht, bis ich mit einem Nachbar sprach und er mir das auf den Kopf zusagte. Dann kam der Wadenzwicker! Diese Situation war für uns ein absoluter Wendepunkt. Ich bemerkte endlich was Bello braucht und wie er kommuniziert und konnte so auf auf ihn eingehen. Klare Signale die er verstand, Führung und Sicherheit. Und siehe da: Seither sind unsere Spaziergänge sehr viel entspannter geworden. Ich werde nicht mehr durch die Gegend gezogen und habe auch das Gefühl, dass Bello ruhiger geworden ist.
Bello ist ein absoluter Diamant unter den Hunden. Ich werde niemals verstehen, wie man diesem Hund etwas Böses antun konnte. Wenn er die Möglichkeit gehabt hätte in einer gewaltfreien Umgebung aufzuwachsen, wäre er ein Charakterstarker Rüde, mit viel Lebensfreude geworden.
Nun entdeckt er langsam aber sicher sein Wesen neu und auch wenn er häufig noch demütig ist, so ist er dennoch eine sanfte Hundeseele und bringt uns mit seinem Charme häufig zum schmelzen. Er liebt uns und wir ihn! Egal wo wir sind, dort ist er auch. Nachts liegt er bei mir und wenn er dann ganz tief atmet und auch mal brummt und/oder seufzt, dann weiß ich, er fühlt sich wohl bei uns.
Wenn Bello und Amy miteinander spielen und durch den Garten toben, sehe ich die entdeckte Lebensfreude in Bellos Gesicht. Dreht er dann noch seine Zoomies, dann merke ich wie glücklich er in diesem Moment ist. Es gibt sie immer noch, diese Tage mit den Flashbacks, aber sie sind sehr viel seltener geworden.
Ich bereue es keine Sekunde Bello ein zu Hause gegeben zu haben und ich würde immer wieder diese Entscheidung treffen. Ich kann nur hoffen, das mein Mann das auch so sieht. Für ihn war es sehr schwer Zugang zu Bello zu finden. Erst meine Abwesenheit durch meinen Rehaaufenthalt, brach das Eis und es ist für mich so schön zu beobachteten, wie zwischen den beiden das Vertrauen immer weiter wächst. Ein Nasenschubser hier, eine eingeforderte Streicheleinheit da. Miteinander spielen usw. Es ist wunderbar und niemals, wirklich niemals hätte ich es für möglich gehalten, wie gut sich Bello entwickelt.
Die Reise zu diesem Punkt, an dem wir jetzt sind, war und ist nicht einfach. Ich habe oft darüber nachgedacht erneut eine Hundeschule zu Rate zu ziehen, doch ich habe mich immer dagegen entschieden.
Bello benötigt Struktur im Alltag, vorhersehbare Ereignisse, das gibt ihm sehr viel Sicherheit. Hinzu kommt, neben allem Verständnis, ein klares Regelwerk und Sicherheit, wann immer er sie benötigt, anzeigt und einfordert. Ohne Ausnahme.
Eine Hundeschule ist sinnvoll, da gibt es nichts zu diskutieren und ich bin sehr dafür diese zu besuchen, wenn die Mensch-Hundbeziehung nicht so funktioniert wie sie sollte. Bei Bello sehe ich das anders. Aufgrund seines Wesens, was durch seine (Vor-)Geschichte geformt wurde, müssen wir unseren eigenen Weg finden und diesen gehen. Das gelingt uns bisweilen gut und Bellos Entwicklung gibt mir das Gefühl, richtig vorzugehen. Es dauert seine Zeit, das ist richtig, aber Bello benötigt nun einmal diese Zeit und das ist für mich vollkommen in Ordnung. Manchmal ist der Marathon sinnvoller, als der schnelle Sprint.
Hallo Alexa, ja die politischen Zeiten sind im Momente nicht gerade leicht. Auch ich bin noch unsicher, welcher Partei ich…